Adieu
Geschichten vom Aufbruch und Abschied
Kurzbeschreibung
Trennungen tun weh. Ob der Sohn auszieht, eine Freundschaft zerbricht oder jemand stirbt: In der Zeit des Abschieds fällt es schwer, „nach vorn“ zu schauen, wie mitunter empfohlen wird. Oder gibt es das tatsächlich, was manche als Klischee abtun? Nämlich: die Chance für den Neubeginn, den Aufbruch ins Weite.
Der Herausgeber bringt Autoren miteinander ins literarische Gespräch: Zsuzsa Bánk, Thommie Bayer, Jens Böttcher, Manuela Fuelle, Martina Hefter, Klaas Huizing, Jürgen Israel, Kerstin Klamroth, Hans-Werner Kettenbach, Judith Kuckart, Christoph Kuhn, Georg Magirius, Georg Schwikart.
Unter den Autorinnen ist auch Ulla Hahn, deren erster Gedichtband „Herz über Kopf“ (1981) zu einem der seltenen lyrischen Beststeller in Deutschland wurde.
Der Herausgeber
Arnd Brummer, geboren 1957, ist Gründer und Chefredakteur des evangelischen Magazins chrismon. Von 1987 bis 1991 arbeitete er als politischer Korrespondent für Tageszeitungen in Bonn, danach war er Chefredakteur des „Deutschen Allgemeinen Sonntagsblattes“ in Hamburg. Autor und Herausgeber zahlreicher Bücher.
Leseprobe
Von einem, der aufstand das Kuchenessen zu lehren
Von Georg Magirius
(…) Und in den Weihnachtstagen hatte der Vater ihn gelehrt, in das Räuchermännchen nicht nur eine, sondern mehrere Räucherkerzen zu stecken. Kein braves Feuerlein entwickelte sich dann, sondern ein grenzenlos anmutendes Glühen. Die Figur qualmte so sehr, dass der Bart des Männchens einmal sogar Feuer fing. Das aber war nun vorbei, sein Vater würde kein Räuchermännchen mehr anzünden. Und Heidelbeerkuchen konnte bestenfalls noch ohne ihn gegessen werden.
Der Sohn versuchte die Erinnerungsbilder zu ersticken: „Ganz natürlich Abschied nehmen“, sagte er sich. Dennoch drohte er in das von Trauerexperten sogenannte alte Muster zurückzufallen, diesen Trieb, Abschiede am liebsten zu schwänzen. Das über Jahre mühsam Angelernte wiederum wollte der Mann nicht aufgeben. Der ungezügelte Instinkt jedoch begann heftig in ihm herumzuhüpfen.
Was tun? Ein letztes Mal wollte er noch Hilfe suchen. Und zwar bei jemandem, der kein Wissenschaftler war. Auch nannte er sich nicht Trauerberater, hatte noch nicht einmal ein Sprechzimmer. Er nannte die zu ihm Kommenden nicht Klienten oder Patienten, sondern – Menschen. Dieser Berater empfing die Ratsuchenden am liebsten unter freiem Himmel. Als der Mann, dessen Vater gerade gestorben war, den Berater in einem Sommergarten-Café unter ausladenden Kastanienbäumen aufsuchte, schaute der ihn kurz an und sagte: „Komm, gehen wir.“ (…)