Cover von Mein Jahr mit der Bibel

Mein Jahr mit der Bibel

Autor: Lothar Bauerochse, Cornelia Coenen-Marx, Thies Gundlach u.a.
408 Seiten Seiten. Gütersloher Verlagshaus
Herausgegeben von Udo Hahn. Gebunden mit Schutzumschlag und Lesebändchen
ISBN: 3-579-02330-6 · Preis: 15,95 €
Mit sechs Beiträgen von Georg Magirius

Kurzbeschreibung

Mit ihren Deutungen und Impulsen machen die Autoren deutlich, was das Buch der Bücher den Menschen heute zu sagen hat. Mit Beiträgen u.a. von Hermann Barth, Lothar Bauerochse, Uwe Birnstein, Cornelia Coenen-Marx, Thies Gundlach, Oda-Gebbine Holze-Stäblein, Ulrike Krause, Johannes Kuhn, Ralph Ludwig, Andreas Rössler, Friederike Woldt. Und mit sechs Auslegungen von Georg Magirius

Leseprobe

Ausgezeichnet

Georg Magirius über Matthäus 20,1-16

Das Himmelreich ist kein Wattewolkenhimmel, in dem die Geigen zirpen. Es präsentiert sich ganz schön irdisch. Es wird gewartet, gebangt, gehofft und darum gerungen, ein Stück vom knappen und nicht sonderlich süß schmeckenden Kuchen Arbeit abzubekommen. Seltsam: Der Arbeitgeber schätzt die Menge Arbeit, die er zu vergeben hat, falsch ein. Den ganzen Tag über ist er damit beschäftigt, weitere Leute in den Weinberg zu schicken. 

Die ersten, die er anheuert, sind selbstbewusst genug ein Honorar auszuhandeln. Die nächsten warten bereits einige Stunden auf Arbeit. Das nutzt der Besitzer aus. Verhandelt wird nicht mehr. Vage verspricht er: „Ich will euch geben, was recht ist.“ Was der Arbeitgeber zu den zuletzt Eingestellten sagt, klingt naiv oder auch unverschämt: „Was steht ihr den ganzen Tag müßig da?“ Als ob sie an der Misere selbst schuld wären. Das klingt wie: Warum arbeitet ihr Arbeitslosen nicht? Warum tut ihr Armen nichts gegen eure Armut? Und könntet ihr Kranken nicht endlich mal gesünder sein? 

Die solche Fragen hören müssen, trauen sich nicht nach Lohn oder einem Happy-end zu fragen. Dabei müssten gerade sie einmal vollen Lohn bekommen. Denn vergeblich auf Arbeit zu hoffen ist mindestens so hart wie unter sengender Sonne von morgens bis abends zu schuften. Im Weinberg, von dem Jesus erzählt, gibt es für beides Geld. Gregor von Nazianz, im 4. Jahrhundert Bischof von Konstantinopel, sieht in solcher Entlohnung Gott am Werk: Denn der würde eben auch klaren Willen und gute Absichten berücksichtigen. Ich halte das für untertrieben. Denn im Weinberg Jesu werden die lange Zeit vergeblich Wartenden nicht nur berücksichtigt, sondern ausgezeichnet – und zwar vor allen anderen.